Foto:Stadt Offenbach

Der bürgerliche Unmut formiert sich wieder auf der Straße, zudem lasse sich vermehrt auch eine Radikalisierung intellektueller Menschen beobachten. Getrieben von Ängsten vor Krieg, Pandemie und Wirtschaftskrisen finden sich zudem neue und teilweise unübersichtliche Formen des Protests. Zu dieser Einschätzung kommt nicht nur die Ethnologin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam an der Goethe-Universität Frankfurt Prof. Susanne Schröter, sondern auch Professor Benno Hafeneger, Erziehungswissenschaftler und Rechtsextremismusforscher an der Universität Marburg. Beide waren auf Einladung von Julia Bechtluft von der Fachstelle Extremismusprävention der Stadt Offenbach am 20. Oktober bei dem Fachkongress „Parallelen und Spezifika von Rechtsextremismus & Islamismus“ im Ostpol zu Gast. Neben Schröter und Hafeneger waren das Violence-Prevention-Network (VPN) mit dem Islamwissenschaftler Hakan Celik und Torsten Niebling vom im Marburg ansässigen Aussteiger-Programm „Rote Linie“ als Praxisexperten vertreten. Nach den Fachvorträgen wurden bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Kongressteilnehmenden neue Entwicklungen heutiger Protestbewegungen diskutiert.

Diese sind heute alles andere als homogen, ganz im Gegenteil „waren früher die verschiedenen rechten, linken und andere Szenen einfach zu differenzieren,“ konstatiert Professor Hafeneger, und gibt es zunehmend „Mischszenen“, was eine eindeutige Zuordnung der jeweiligen Akteurinnen und Akteure schwierig mache. Die klassischen Stereotype gebe es nicht mehr, „eine Macho-Kultur zum Beispiel sehen wir bei rechten wie bei islamistischen Extremisten.“ Gemeinsam sei den zu extremistischen Haltungen neigenden Protestlern ein Antimodernismus, der sich aus der Überforderung in einer schnelllebigen Welt mit unkalkulierbaren Entwicklungen nähre. Insgesamt überwiege ein großes Misstrauen gegenüber dem Staat, verbunden mit der Abkehr von demokratischen Grundwerten. In den nachlassenden Wahlbeteiligungen in Europa sind sich die Islamismus-Expertin und der Rechtsextremismusforscher gleichermaßen einig, dass sich diese Entwicklung nicht nur auf gesellschaftliche Randgruppen beschränkt.

Diesen Eindruck teilt Frank Weber, Leiter des Ordnungsamtes: „Der ständige und uneingeschränkte Zugang zu Informationen macht Menschen leider nicht unbedingt freier. Mithilfe von eigentlich nützlichen Logarithmen verlieren sich viele im sogenannten Kaninchenbau der Informationskanäle, die ihrer Grundeinstellung am stärksten entsprechen. Dies kann, kurzgesagt, zu Intoleranz und auch Hass führen, und im ungünstigsten Fall radikale Handlungen auslösen“. Auf der Strecke bleiben Toleranz und Empathie: „Wo kein Platz mehr für die Wahrnehmung anderer Lebensrealitäten und Haltungen ist, ersetzt Diffamierung den Diskurs und erodieren mittel- und langfristig die demokratischen Werte unserer Gesellschaft.“ Dass die Prägung bereits im Kindesalter beginnt, daran erinnerte auch Hafeneger nochmals in der Diskussion. Schließlich lernen Kinder durch Nachmachen und übernehmen dann natürlich nicht nur die Sprachkultur, sondern oftmals auch politische Haltungen, die im Subtext transportiert werden.

Wo sollte Präventionsarbeit ansetzen?

Was also kann Präventionsarbeit vor Ort leisten, wie kann sie ansetzen? Sollte der Fokus stärker auf die Erwachsenenbildung gelegt werden oder wie lassen sich die neuen Zielgruppen erreichen? Julia Bechtluft von der Fachstelle Extremismusprävention stellte, ergänzt von Professor Hafeneger, verschiedene Szenarien und Überlegungen vor, wie dies beispielsweise mit Hilfe der Arbeitgeber gelingen könnte. Professorin Schröter plädierte für eine gesellschaftliche Debatte, die alle zu Wort kommen lässt, also auch jene mit extremen Haltungen. Dass sei in vielen Medienbeiträgen, auch der öffentlich-rechtlichen Sender, in den letzten Jahren zu kurz gekommen. „Den Kontakt zu Andersdenkenden sollte man auch privat nicht abreißen lassen“, sagt Hakan Celik von VPN. „Man muss die Haltung Andersdenkender nicht teilen, sollte aber andere Meinungen aushalten und respektieren. Denn erst, wenn Menschen ausgegrenzt werden, laufen sie noch eher Gefahr sich zu radikalisieren.“

Einig waren sich alle bei der Bewertung der aktuellen Krise, die trotz der Belastungen für Bürgerinnen und Bürger auch eine große Chance für Hilfsbereitschaft und Solidarität sein kann. Dabei sei es wichtig, vor allem die gesellschaftlichen Widerstandskräfte von Schulkindern zu stärken, indem weiterhin auf Wertvermittlung gesetzt und mit gemeinsam Aktivitäten der Zusammenhalt in Schulen und Vereinen gefördert werde. Denn Kinder müssen einen respektvollen Umgang, gewaltfreie Konfliktlösungen und die Fähigkeit, sich in die Situation anderer hineinzuversetzen, erst lernen. Dann können sie auch extremen Positionen wiederstehen. „Trotzdem bleibt in Sachen Extremismusprävention viel zu tun, die Herausforderungen sind vielfältiger und komplexer geworden“, erklärt Weber und Julia Bechtluft ergänzt: „Dem Misstrauen gegenüber Andersdenkenden und dem Staat auf kommunaler Ebene entgegenzuwirken ist genauso unabdingbar wie die neuen Bedürfnisse und Ängste angesichts der aktuellen Krise gemeinsam mit staatlichen, schulischen, sozialpsychologischen Akteurinnen und Akteuren zu bearbeiten. Vor allen Dingen gilt es, die neuen Zielgruppen zu erreichen. Daran arbeiten wir. “

Dazu sollen Ideen und Maßnahmen mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort entwickelt werden.

Die Fachstelle für Demokratieförderung und phänomenübergreifende Extremismusprävention“ (DEXT-Fachstelle)

Seit September 2021 gibt es die „Fachstelle für Demokratieförderung und phänomenübergreifende Extremismusprävention“ (DEXT-Fachstelle) in der Stadt Offenbach, diese wird gefördert durch das Landesprogramm „Hessen-aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“. Die Fachstelle in Offenbach ist Teil der „Geschäftsstelle Kommunale Prävention“ beim Ordnungsamt.

Stadt Offenbach

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