Die finanzielle Lage vieler Städte und Gemeinden in Deutschland spitzt sich immer weiter zu. Während Sozialkosten explodieren und dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur ausbleiben, stehen zahlreiche Kommunen am Rand der Handlungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund hat das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, ein Zusammenschluss von 71 finanzschwachen Kommunen aus acht Bundesländern, seine Stimme erhoben und fordert eine gerechtere Finanzverteilung. Mit kreativen Aktionen und klaren Forderungen machen die Mitglieder auf ihre prekäre Situation aufmerksam – zuletzt bei einer Protestaktion vor den Parteizentralen von CDU und SPD in Berlin.
Musik und klare Botschaften in Berlin
Am 14. März sorgte das Aktionsbündnis mit einem musikalischen Protest für Aufsehen. Unter dem Motto „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“ präsentierten Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Kämmerinnen und Kämmerer aus der ganzen Republik ihre Forderungen an die Politik. Begleitet von der Band „It’s live“ fanden vor dem Konrad-Adenauer-Haus und dem Willy-Brandt-Haus zwei kurze Konzerte statt, die auf die finanzielle Notlage vieler Kommunen aufmerksam machten.
Doch der Protest war keineswegs nur symbolischer Natur. Im Anschluss an die musikalische Einlage suchten die Vertreter der Kommunen das Gespräch mit Abgeordneten der großen Parteien, um auf die dringlichsten Probleme hinzuweisen. Die Kernbotschaft: Die Städte und Gemeinden können ihre Pflichten nur dann erfüllen, wenn Bund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden und die Kommunen finanziell besser ausstatten.
Die drängendsten Probleme: Sozialkosten und Altschulden
Die finanzielle Krise der Kommunen hat viele Facetten, doch zwei Themen stehen besonders im Fokus: die explodierenden Sozialkosten und die ungelöste Altschuldenproblematik.
Zahlreiche Aufgaben im Sozialbereich, wie die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, Hilfen zur Pflege oder Kosten der Unterkunft, werden von den Kommunen im Auftrag des Bundes und der Länder übernommen. Doch die finanziellen Mittel, die dafür bereitgestellt werden, reichen bei weitem nicht aus. Laut des Aktionsbündnisses mussten die Kommunen im ersten Halbjahr 2024 ihre Ausgaben für Sozialleistungen um zwölf Prozent steigern – ein Anstieg, der viele Städte an den Rand des Ruins bringt. Um ihre gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen, sind sie gezwungen, neue Schulden aufzunehmen. Allein 2024 werden bundesweit rund drei Milliarden Euro an neuen Liquiditätskrediten benötigt.
Ein weiteres drängendes Problem ist die Altschuldenfrage. Viele Kommunen, insbesondere in strukturschwachen Regionen, haben in der Vergangenheit hohe Schulden aufgenommen, um grundlegende Aufgaben zu finanzieren. Obwohl einige Bundesländer bereits eigene Regelungen für die Altschulden getroffen haben, fehlt es an einer bundesweit einheitlichen Lösung. Eine 50-prozentige Beteiligung des Bundes, wie sie im vorherigen Koalitionsvertrag angekündigt wurde, bleibt bislang aus. Das Bundesfinanzministerium hat zuletzt erklärt, dass es hierfür keine grundgesetzändernde Mehrheit gebe – ein Schlag ins Gesicht für die betroffenen Kommunen.
Forderung der Kommunen: Ein Plan für die Zukunft
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat in Berlin klare Forderungen formuliert, um die finanzielle Situation der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Dazu gehören:
- Stärkere Beteiligung an Sozialkosten: Bund und Länder müssen sich stärker an den Sozialausgaben beteiligen. Neue Aufgaben dürfen nur dann an die Kommunen übertragen werden, wenn deren Finanzierung gesichert ist.
- Höhere Steuerbeteiligung: Die Kommunen fordern eine fairere Verteilung der Steuereinnahmen, insbesondere eine stärkere Beteiligung an der Umsatzsteuer, um die laufenden Kosten zu decken.
- Investitions- und Instandhaltungsfonds: Die Kommunen benötigen dringend finanzielle Mittel, um ihre Infrastruktur zu modernisieren. Aus dem geplanten Sondervermögen von 500 Milliarden Euro müssen mindestens zwei Drittel direkt bei den Kommunen ankommen.
- Umsetzung einer Altschulden-Lösung: Die finanzielle Entlastung der Kommunen durch eine bundesweit geregelte Altschuldenlösung ist unverzichtbar. Ohne die Unterstützung des Bundes bleibt die Problematik ungelöst.
- Reform der Förderpolitik: Die Vielzahl an Förderprogrammen macht es besonders finanzschwachen Kommunen schwer, an die benötigten Mittel zu gelangen. Das Bündnis fordert eine Halbierung der Programme und eine direkte Auszahlung von Pauschalen, um die Verfahren zu vereinfachen.
Ein Zeichen der Solidarität: Interkommunale Zusammenarbeit
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ ist nicht nur eine Plattform für Protest, sondern auch ein Symbol für interkommunale Solidarität. Mit Städte wie Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Kaiserslautern und vielen weiteren Mitgliedern repräsentiert es knapp zehn Millionen Menschen aus finanzschwachen Regionen. Der Zusammenschluss zeigt, wie wichtig Zusammenarbeit ist, um auf Probleme aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Ein Beispiel für diesen Zusammenhalt ist der jüngste Beitritt der Stadt Ennepetal und des Kreises Groß-Gerau. Beide Mitglieder wollen das Bündnis dabei unterstützen, eine gerechtere Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu erreichen. Auch symbolische Aktionen, wie ein satirischer Karnevalswagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug, zeigen, wie kreativ und entschlossen das Bündnis auf die finanziellen Herausforderungen aufmerksam macht.
Ein Apell an die Politik
Die finanzielle Krise der Kommunen ist kein Problem, das ignoriert werden kann. Sie betrifft nicht nur die Städte und Gemeinden selbst, sondern auch die Lebensqualität von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Kaputte Straßen, marode Schulen und fehlende Investitionen in die Infrastruktur sind sichtbare Zeichen der Unterfinanzierung. Gleichzeitig zeigt sich, dass die finanzielle Notlage das Vertrauen in die Politik schwächt und extreme Wahlentscheidungen begünstigt.
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat mit seinem kreativen Protest in Berlin ein klares Signal gesendet: Es ist Zeit zu handeln. Bund und Länder müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern und die Würde unserer Städte zu bewahren.