Alle zwei Jahre verleiht die Stadt Offenbach im Auftrag der Klingspor-Spemann-Stiftung den Rudo-Spemann-Preis. Mit diesem Preis erinnert die Stadt Offenbach am Main an den 1947 in Kriegsgefangenschaft gestorbenen Schriftkünstler Rudo Spemann, dessen künstlerischer Nachlass von der Familie dem Klingspor Museum übergeben wurde. Zur Preisverleihung am 14. Juli 2023 im Klingspor Museum wurden drei Arbeiten ausgezeichnet. Die prämiierten Arbeiten sowie 9 weitere ausgewählte Arbeiten aus den Einsendungen sind noch bis 29. Oktober in der Ausstellung „Achtung enthält Leben. Notizbuch, Bullet Journal, Tagebuch“ zu sehen.
Der Rudo-Spemann-Preis zeichnet Studierende und Auszubildende aus, die sich in einer künstlerischen oder gestalterischen Ausbildung befinden und wird für eine schriftkünstlerische Arbeit verliehen. „Wie organisiere ich mich, was beschäftigt mich, was brauche ich, wie kann ich Probleme dokumentieren oder lösen? Dafür haben wir heute eine Vielzahl digitaler Mittel zur Verfügung, bei denen eher die Funktionalität im Fokus steht. Mit dem Klingspor Museum haben wir ein Haus in unserer Stadt, das Schriftkunst nicht nur bewahrt, sondern auch transformiert. Die Aufgabenstellung des diesjährigen Rudo-Spemann-Preises hat dem Rechnung getragen, denn es sollten Lebensthemen oder Strategien abgebildet werden, die in einem Tage- oder Notizbuch zum Tragen kommen können. Ich freue mich, dass sich so viele junge Künstlerinnen und Künstler der Herausforderung gestellt haben“, sagt Oberbürgerbürgermeister und Kulturdezernent Dr. Felix Schwenke. Aus 64 Einsendungen hat die Jury die drei diesjährigen Preisträgerinnen ausgewählt. Dabei teilen sich Catherine Sanke (HGB Leipzig) und Laura Walker (Johannes Gutenberg Universität Mainz) den jeweils mit 1.000 Euro dotierten ersten Preis, der dritte Preis ist mit 500 Euro dotiert und geht an Lola Mais (Hochschule Rhein Main Wiesbaden).
- Preis
Catherine Sanke: CIAO
Das Buch von Catherine Sanke zeichnet sich durch eine kleinteilige, wohlorganisierte Handschrift aus, die in Kombination mit kleinen Fotos und Collagen ein anspruchsvolles Dokument von Erinnerungskultur bildet. Lange Listen, nach Abarbeitung durchgestrichen, Notizen alltäglicher Beobachtung, Gefühle, Dinge und Namen von Menschen bilden ein feines Netz aus Alltagsstrukturen.
„Durch das Notieren all dieser Dinge ist es mir auch Jahre später möglich, Gedankengänge nachzuvollziehen und Vergessenes wieder in mein Bewusstsein zu heben.“
Laura Walker: MEMO KIT
Das eingereichte MEMO KIT ist eine Miniaturwelt aus rosafarbenem Papier, Bleistiftchen, Radiergummi und kleinem Lineal. In winziger Schrift notiert Laura Walker darin Erinnerungen, Gedanken, Zeichnungen, ToDo-Listen und Einkaufszettel, mit denen niemand einkauft. Denn „sich als Mutter eines Säuglings an überhaupt irgendetwas zu erinnern, fällt schwer. Tage- und Notizbücher erfordern Disziplin und Beharrlichkeit. Das MEMO KIT erlaubt sich zu verzetteln“ und bildet in seiner Kleinteiligkeit eindrucksvoll eine Lebensphase ab, in der die schreibende Person gerade nicht die Hauptrolle spielt.
- Preis
Lola Mais: Ein Liebesbrief an das Notizbuch
Die Arbeit von Lola Mais ist eine Theorie zum Notizbuch als Medium. Das Konzept setzt sich in Handschrift damit auseinander, was ein Notizbuch alles sein kann, welche Funktionen es übernimmt und wie man darüber nachdenken kann. „Notizbücher sind faszinierende Werke. Unbeschrieben völlig unscheinbar, offen für alles und weitblickend. Nur durch die Handschrift werden sie zu wertvollen Gegenständen, die uns den Freiraum geben zu denken, zu spinnen und zu träumen.“