Foto:Thomas Mörsdorf (links) und Bürgermeister Jörg Rotter begrüßten Prof. Walter Mühlhausen (Mitte) zu einer Vortragsveranstaltung im Bücherturm anlässlich des Tages der Befreiung am 8. Mai..

Professor Walter Mühlhausen beleuchtete bei einer Gedenkveranstaltung zum 8. Mai den steinigen Weg der Demokratie in Deutschland

Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell beendet. Nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft bedeutete dieser Tag den politischen, militärischen und moralischen Untergang des verbrecherischen Regimes in Deutschland, das die Welt in den Abgrund gestürzt hatte. Fast auf den Tag genau 97 Jahre vorher, am 18. Mai 1848, trat in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung als erstes frei gewähltes deutsches Parlament zusammen. An die Bedeutung des Tages der Befreiung und die des 175-jährigen Jubiläums der Paulskirchen-Demokratie erinnerte die Stadt Rödermark mit einer besonderen Veranstaltung im Vereinsraum des Bücherturms. Prof. Dr. Walter Mühlhausen, ehemaliger Geschäftsführer der „Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“, beleuchtete mit einem kenntnisreichen Vortrag den „steinigen Weg der Demokratie in Deutschland“, der von Frankfurt über Weimar nach Bonn führte – und mit vorsichtig optimistischen Einschätzungen Mühlhausens zur aktuellen Lage unsrer „wehrhaften Demokratie“ in Berlin endete.

175 Jahre Demokratie- und Verfassungsgeschichte in einer Dreiviertelstunde zu beleuchten – keine leichte Aufgabe. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Jörg Rotter und einführenden Worten von Thomas Mörsdorf, dem Leiter des städtischen Fachbereichs Kultur, Heimat und Europa, bewältigte sie Mühlhausen mit Bravour, kurzweilig, facettenreich, mit lokalen Bezügen, stets seinem Publikum zugewandt.

Der hoffnungsvolle Auftakt 1848, den die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche markiert, wurde von den Bajonetten der Fürsten erstickt. Die gewaltsame Niederlage sei aber auch ein Sieg gewesen, so Mühlhausen, „weil damals Wegmarken für die Entwicklung der künftigen demokratischen Ordnung gesetzt wurden“, etwa durch die erstmalige Formulierung von Grundrechten.

Den zweiten Anlauf unternahmen die Demokraten 1918/19 mit der Republik von Weimar, die 1933 von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Gescheitert sei die Weimarer Republik, so Mühlhausen, aber vor allem an inneren Wiedersprüchen und Konstruktionsfehlern der Verfassung, mangelnder Kompromissbereitschaft und -fähigkeit, historischen Vorbelastungen, antidemokratischen Kontinuitäten, wirtschaftlichen Schieflagen oder auch den außenpolitischen Lasten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – Stichwort „Versailler Vertrag“. Am Ende habe Hitler die Macht nicht ergriffen, sondern sie sei ihm von Reichspräsident Hindenburg, einem erklärten Feind der Demokratie, und seiner „Kamarilla“ 1933 übergeben worden.

„Erst nach einer menschenverachtenden Diktatur und nach einer totalen Niederlage 1945 wurde unter den Fittichen der westlichen Siegermächte zumindest in einem Teil Deutschlands eine krisensichere Demokratie aufgebaut“, so Mühlhausen. Genau vier Jahre nach der Kapitulation, am 8. Mai 1949, verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz – das als vorläufig verstanden worden sei, weil der von der Sowjetunion besetzte Teil Deutschlands (noch) nicht zum Geltungsgebiet gehörte, und das deshalb auch nicht Verfassung genannt worden sei.

Die Verfassungsfrage und mögliche Versäumnisse nach 1989 thematisierte Mühlhausen am Ende seines historischen Parforceritts. Wie auch immer man zur Notwendigkeit und auch Möglichkeit einer neuen Verfassung des vereinten Deutschlands damals stehe – das Grundgesetz sei Garant für ein „nach wie vor stabiles System“. Dennoch müsse man heute zur Kenntnis nehmen, dass die Demokratie nichts Selbstverständliches sei, sondern in zahleichen Ländern sogar in Frage gestellt werde. Von einer „Ermüdung“ des demokratischen Systems sei man in Deutschland trotz seiner Gegner glücklicherweise „weit entfernt“. Dennoch gelte es, sich der Gefahren bewusst zu sein und für die demokratische Grundordnung zu kämpfen. „Die Demokratie ist eine Veranstaltung aller Bürgerinnen und Bürger.“

Prof. Dr. Walter Mühlhausen, geboren 1956 in Eichenberg, war bis zum 31. März dieses Jahres Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg. Er lehrt nach wie vor als außerplanmäßiger Professor an der Technischen Universität Darmstadt, wo er sich 2006 habilitierte. Mühlhausen gehört unter anderem der beim Hessischen Landtag angesiedelten „Kommission für Politische und Parlamentarische Geschichte des Landes Hessen“ an. Zahlreiche Publikationen zur hessischen Geschichte hat er veröffentlicht. Zuletzt erschien im März 2023 der Band „Hessen im 20. Jahrhundert“

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