Frühlingsanfang bei Kaffee und Kuchen an der Pietà bot Anlass zu einer bilanzierenden Rückschau
Zum Frühlingsanfang Kaffee und Streuselkuchen vom Café Schließmann gegenüber, dazu eine bilanzierende Rückschau auf die vergangenen Monate seit der Einweihung der restaurierten Pietà zur Orwischer Kerb: Dazu hatte die Stadt in der vergangenen Woche Mitglieder der Quartiersgruppe Urberach, der Pfarrgemeinde St. Gallus und des Heimat- und Geschichtsvereins eingeladen. Also all diejenigen, die sich dafür stark gemacht hatten, dass aus dem unscheinbaren Platz mit einer der Verwitterung anheim gegebenen sakralen Skulptur ein Schmuckstück geworden ist.
Mit vereinten Kräften ist ein Ort geradezu neu entstanden, der zum Verweilen einlädt, zum Gebet, zum Innehalten. Ein Ort, der mit seinen informativen Tafeln aber auch das Interesse derjenigen bedient, die an kulturhistorischen Zusammenhängen interessiert sind. Ein Ort, der durch seine ruhige Kraft und Schönheit alle Sinne befriedigt. Und nicht zuletzt ein Ort, der eine identitätsstiftende Funktion für den Ortsteil Urberach neu errungen hat. All diese Aspekte wurden in den Gesprächen unter der Pietà beleuchtet.
„Wir sind stolz auf dieses Kleinod“, betonte Bürgermeister Jörg Rotter und dankte noch einmal allen Beteiligten. Etwas „Markantes“ sei auf den Weg gebracht worden, das jeden Cent wert sei, den die Stadt investiert habe. „Wir haben in unsrer Stadt nicht so viele ‚Juwelen‘ wie andere Kommunen von größerer historischer Bedeutung“, so Rotter. Deshalb sei es umso wichtiger, das zu erhalten, was im historischen Gedächtnis der Stadt verankert sei. Dazu gehöre die Urberacher Pietà zweifelsohne. Im Laufe der Verwirklichung habe er gerade dies von Bauleiter Peter Knapp gelernt.
Errichtet an einem alten Wallfahrtsweg, den die Gläubigen in früheren Jahrhunderten auf ihrem Weg zur Dieburger Muttergottes nahmen, steht die Skulptur deshalb auch in Verbindung mit einem ganz ähnlichen Sakraldenkmal in Ober-Roden. Die dortige Pietà gelte es ebenfalls zu erhalten. Darum werde sich die Stadt in naher Zukunft kümmern, versprach Rotter.
Einen kleinen geistlichen Impuls trug Rita Erlebach von der St.-Gallus-Gemeinde zu dem Treffen bei: „Dieser Platz wird wieder wahrgenommen, er ist zu einem Ort der Identifikation und des Miteinanders geworden. Er strahlt Schönheit und Harmonie aus. Orte der Schönheit und Harmonie sind Segensorte. Sie haben eine spirituelle Dimension. Sie geben uns Kraft, weil sie als Ganzheit empfunden werden. Sie wirken wohltuend auf unsere Seelen. Menschen kommen an diesen Ort, um ihre Sorgen, Trauer, aber auch Dankbarkeit vor die Muttergottes zu tragen. Man geht gestärkt seiner Wege. Selbst im schauenden Vorübergehen kann man sich der Endlichkeit des Lebens und des menschlichen Leidens erinnern. Das Bewusstsein darum gibt unserem Leben einen Rahmen und macht jeden Tag wertvoll.“
Wie kam es dazu, dass sich die Rödermärker an solch einem Schmuckstück erfreuen können? Den Anstoß gab 2019 die Quartiersgruppe Urberach. Es gab Arbeitstreffen, zu denen die Stadt neben der Quartiersgruppe auch die Pfarrgemeinde St. Gallus, den Heimat- und Geschichtsverein sowie Anlieger eingeladen hatte. Peter Knapp, Architekt, HGV-Mitglied und Experte in Sachen Urberacher Ortsgeschichte, legte Anfang 2021 eine historische Studie zur Bedeutung des Platzes und einen Entwurf zur Umgestaltung und Aufwertung vor. Der Magistrat fand die Pläne gut. Die finanziellen Mittel mussten bereitgestellt, Angebote eingeholt und die Aufträge vergeben werden. Mit der Bauleitung wurde Peter Knapp beauftragt.
Gut ein Jahr später, im Februar 2022, hieß es dann: Ab in die Werkstatt! Steinmetz und Restaurator Richard Löbig hob die Pietà von ihrem Sockel, lud alles auf und brachte es in seine Werkstatt nach Münster. Während er Hand anlegte, bekam auch der Platz ein neues Aussehen. Die attraktive Bruchsteinmauer wurde hochgezogen – sie grenzt das Kunstwerk visuell ab. Zwei daran angebrachte metallene Tafeln erläutern die geschichtliche Bedeutung des Ortes. In einer Mauernische sieht man das mittelalterliche Sühnekreuz, das vorher hinter der Pietà versteckt stand. Die Kreuzigungsgruppe wurde um etwa einen Meter versetzt, was Platz für eine umlaufende Fortführung des bisher vor der Pietà endenden Bürgersteigs schuf. Zudem wurden vier neue Linden gepflanzt.