Wenn in Offenbach Hochwasser droht, muss das Schließen der Deichtore schnell gehen. Wie viel Vorlaufzeit der dafür verantwortlichen Abteilung Tiefbau der Stadtwerke Offenbach bleibt, wenn der Maindeich erhöht sein wird, ist Thema einer gerade beendeten und bestandenen Bachelorarbeit. Der Titel: „Erarbeitung eines Konzeptes zum Aufbau des Hochwasserschutzes am Mainufer in Offenbach Rumpenheim.“ Geschrieben hat sie die Offenbacherin Anna-Lena Tascidis. Sie war an dem Thema ganz nah dran: Im Jahr 2021 hat sie bei den Stadtwerken ein Praktikum in der Abteilung Tiefbau gemacht und danach dort als Werkstudentin weitergearbeitet. Jetzt verstärkt sie das Team als neue Mitarbeiterin.
„Auf das Thema meiner Bachelorarbeit bin ich im Gespräch mit Abteilungsleiterin Melanie Gessner gekommen“, erzählt Anna-Lena Tascidis, die an der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) studiert hat. „Sie hat die Ausarbeitung betreut und war schließlich auch meine Zweitprüferin.“ In ihrer wissenschaftlichen Ausarbeitung geht die junge Ingenieurin der Frage nach, wie lange die Vorlaufzeit für den Aufbau des Deichschutzes sein wird, wenn die in diesem Jahr laufende Deicherhöhung abgeschlossen ist. Dann soll das Bauwerk auch einem Hochwasser standhalten, wie es statistisch gesehen mindestens einmal in 200 Jahren auftritt.
Allerdings muss für die Sicherung eines höheren Deiches mit deutlich mehr mobilen Anlagenteilen dann auch früher als jetzt mit dem Aufbau angefangen werden. Die verantwortliche Aufbautruppe holt aktuell ab einem Pegelstand von 3,20 Meter, gemessen laut offizieller interner Anweisung an der Referenzmessstelle Frankfurter Osthafen, die notwendigen Aluminiumbalken aus dem Lager. Damit werden die Deichtore am Main geschlossen und künftig wird der Deich damit an einigen Stellen auch erhöht.
„Der Aufbau beginnt immer in Rumpenheim am Deichtor Schmiedegasse. Hier ist der niedrigste Punkt im Offenbacher Stadtgebiet, so dass das Mainwasser hier als erstes eindringen würde. Deshalb war Rumpenheim auch am interessantesten für meine Bachelorarbeit“, erklärt Anna-Lena Tascidis. „Das Deichtor in der Schmiedegasse hat noch die zusätzliche Schwierigkeit, dass wir hier von der Mainseite aus aufbauen müssen: Der Zugang vom Ort aus ist zu eng, um ein Fahrzeug aufzustellen und das Material zu lagern. Deshalb müssen wir hier sehr früh beginnen, damit uns das Wasser nicht den Rückweg abschneidet.“
Wie früh, das heißt: bei welchem Referenzpegelstand der Aufbau nach der Deicherhöhung beginnen muss, hat die neue Mitarbeiterin der Stadtwerke in ihrer Bachelorarbeit errechnet. Dafür hat sie die logistischen Vorbereitungen und den konzeptionellen Aufbau genau beschrieben. Sie hat aufgelistet, was im Ernstfall alles gebraucht wird, wie viel Personal und wie viele der mobilen Elemente gebraucht werden, um die Tore zu schließen und den Deich zu erhöhen und welche Maschinen dafür notwendig sind. Unter Einbeziehung aller Faktoren hat sie berechnet, dass nach der Maindeicherhöhung bereits ab einem Referenzpegel von 249 Zentimetern mit der Sicherung begonnen werden müsste. Für die Alarmierung des Personals und den Aufbau des mobilen Deichsystems bleiben 14,5 Stunden, bevor rechnerisch das erste Mainwasser gegen das verschlossene Tor an der Schmiedegasse schwappt. „Das muss natürlich noch in Echtzeit verifiziert werden, wir gehen aber künftig bei Hochwassergefahr von diesem Wert aus“, sagt Melanie Gessner. Aktuell braucht die Abteilung Tiefbau beim Pegelstand von 3,20 Meter für den Aufbau des Deichtors Schmiedegasse 3 Stunden und 15 Minuten.
Der Tiefbau war für Anna-Lena Tascidis zunächst mal kein Berufswunsch. Die Architektur hätte sie gereizt, erzählt sie, aber Pläne zeichnen machte ihr keinen Spaß. Deshalb hatte sie nach dem Abitur mit Leistungskurs Mathematik das Studium Ingenieurwesen in Richtung Statik begonnen. Ihr Berufspraktisches Semester machte sie dann beim Stadtservice: „Ich wollte sicher sein, dass ich den Tiefbau für meine Berufslaufbahn ausschließen kann.“
Da hatte sie aber nicht mit Melanie Gessner und ihrem Team gerechnet, das die Berufspraktikantin von Anfang an in die Arbeit einbezog und nach und nach dafür begeisterte. Denn die Aufgaben der kommunalen Entwässerung hatten viel mehr Abwechslung zu bieten, als sie sich vorgestellt hatte. In dieses Semester fiel der Bau des Mainauslass mit einer gigantischen Baustelle am Flussufer und einer Baustellenführung für interessierte Bürgerinnen und Bürger, sie lernte die offene Kanalbauweise ebenso kennen wie das unterirdische Arbeiten mit einem Vortriebsbohrer, schaute bei Sanierungsarbeiten zu und bekam Einblick in den Generalentwässerungsplan.
Wegen dieser umfangreichen Verantwortung entschloss sie sich zu bleiben: „Im Hochbau begleitet man den Bau eines Gebäudes und hat dann in der Regel nie wieder etwas damit zu tun. Im Tiefbau sind wir als Abteilung für ein gesamtes Kanalnetz mit allen Facetten von der Sanierung bis zur Erweiterung und Instandhaltung aller damit verbundenen technischen Anlagen verantwortlich“, erklärt sie ihren Entschluss, jetzt bei den Stadtwerken in den Beruf zu starten.