Die umfangreichen Bauarbeiten zum Ausbau des Main-Winterdeichs nehmen im Abschnitt Rumpenheim mit dem ersten Spatenstich ihren Anfang. Zu diesem symbolischen Akt kamen am Dienstagnachmittag Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Offenbach, des Landes Hessen sowie Anwohnerinnen und Anwohner aus Rumpenheim zusammen. Damit gehen ein seit mehr als einem Jahrzehnt geplantes Projekt und eine wichtige Maßnahme für den Hochwasserschutz in Offenbach in die konkrete Umsetzung. Notwendige Vorarbeiten erfolgten in den vergangenen Wochen. Mit dem Ausbau des Maindeichs erhält der gesamte Abschnitt in Rumpenheim eine moderne Deichanlage, die den Stadtteil auch gegen ein 200-jährliches Hochwasser sichern soll.
Die Fertigstellung des Abschnitts in Rumpenheim ist für Herbst dieses Jahres vorgesehen. Der Ausbau des Maindeichs in der Innenstadt, zwischen der Carl-Ulrich-Brücke und dem ehemaligen Farbwerke-Gelände, heute Innovationscampus, ist für die Jahre 2024 und 2025 geplant.
Planungs- und Baudezernent Paul-Gerhard Weiß: „Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Offenbacher Bevölkerung vor den Gefahren durch Hochwasser, mit denen wir wegen des Klimawandels künftig häufiger rechnen müssen. Mit der Sanierung und Erhöhung des Deichs in Rumpenheim und anschließend im Innenstadt-Bereich verbessern wir den Schutz vor einem extrem hohen Hochwasser, das statistisch alle 200 Jahre vorkommt.“ Weiß ging auch auf den zurückliegenden Planungsprozess ein: „Der Weg zum ersten Baggerbiss war lang, denn der Maindeich als Jahrhundertbauwerk prägt städtebaulich unsere Stadt und da ist es absolut nachvollziehbar, dass im Planungsprozess viele gestalterische Fragen berücksichtigt und Umplanungen notwendig wurden. Die Abstimmungen zwischen den zahlreichen Beteiligten waren sehr komplex und dennoch immer zielführend. Zu den Beteiligten gehören auch Anwohnerinnen und Anwohner aus Rumpenheim, bei denen ich mich heute für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte.“ Da die Bauarbeiten zum Teil auch auf privaten Grundstücken und in Gärten durchgeführt werden, sind Anwohnerinnen und Anwohner unmittelbar betroffen und tragen Sorge um ihr Eigentum. „Diese Sorgen nehmen wir ernst und haben verschiedene Maßnahmen getroffen, um Anliegerinnen und Anlieger zu schützen. Dazu zählen zum Beispiel auch ein Grundwasser-Monitoring, die Begutachtung der Anwesen, um den aktuellen Zustand rechtssicher zu erfassen und Maßnahmen zum Hochwasserschutz während der Bauzeit“, erklärte der Planungs- und Baudezernent, der sich zugleich für die hohe finanzielle Förderung des Landes Hessen bei Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid bedankte.
Durch die Sanierung wird die Standsicherheit des Deichs sichergestellt. Auch dort, wo teilweise mobile Hochwasserschutzelemente eingesetzt werden. Im Falle eines Hochwassers werden die Bedingungen für die Deichverteidigung aber auch für die Deichunterhaltung erheblich verbessert. Unter anderem dadurch, dass Deichschutzstreifen eingerichtet sowie durchgängige Zufahrten und Wege hergestellt werden.
Das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt berät die Kommunen bei der technischen Lösung und bei der Antragsstellung für die Finanzierung der Maßnahme. Dabei ist das RP im Falle einer Deichverteidigung beratend für die kommunalen Einsatzkräfte tätig. „Sie sehen, wie wichtig das gemeinsame Handeln gerade bei dieser Thematik ist. Das nächste extreme Hochwasser wird kommen. Darauf müssen wir vorbereitet sein“, betont Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid. „Gemeinsam mit den Kommunen unternimmt das Land Hessen große Anstrengungen, die Menschen zu schützen. Dafür danke ich allen, die sich dieser elementaren Herausforderung stellen.“
Spundwände übernehmen die Funktion des Deichbauwerks
Den eigentlichen Hochwasserschutz übernimmt künftig nicht mehr der gemauerte Deich selbst. Stattdessen werden Spundwände unmittelbar vor dem Deich (auf Flussseite) bis zu acht Meter tief in den Boden eingebracht. Sie übernehmen die Funktion, das Wasser am Eindringen in den Deich und in die angrenzenden Straßen und Wohngebiete zu hindern. Zugleich finden Sanierungsarbeiten am Deichbauwerk statt.
Derzeit wird noch die notwendige Kampfmittelsondierung durchgeführt. Da die Spundwände bis zu acht Meter tief in den Boden reichen, müssen auch die Untersuchungen bis in diese Tiefe erfolgen. Eine oberflächige Detektierung wäre nicht ausreichend. Es ist daher erforderlich, im Verlauf der Spundwandachse Bohrungen bis in sechs Meter Tiefe durchzuführen. Anschließend erfolgt eine Bodenradarmessung durch ein spezielles Messgerätgerät. Die Bohrung wird danach mit quellfähigen Tonpellets verfüllt. Werden bei den Messungen keine Auffälligkeiten festgestellt, können die eigentlichen Bauarbeiten beginnen.
Wie bereits im Planungsprozess deutlich wurde, können für die Maßnahmen nicht alle Bäume erhalten werden. Bereits zu Beginn des Jahres 2022 erfolgten erforderliche Baumfällungen unterhalb des Schlossparks und in der Feldlage an der Grenze zu Mühlheim. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich bereits, dass sich die radwegbegleitende Baumreihe zwischen Neugasse und Kleines Gäßchen im Verlauf des gesamten Planungs- und Genehmigungsprozesses so stark weiterentwickelt hat, dass der Bau der Spundwand maßgeblich in den Kronen- und Wurzelbereich eingreifen würde. Daraufhin wurden die Bäume von einem Gutachter für Baumstatik untersucht, um den erforderlichen Eingriff im Hinblick auf die Standsicherheit zu bewerten. Es wurde festgestellt, dass die meisten der Bäume einen fortgeschrittenen Pilzbefall und dadurch bedingt Fäulnis im Stamm- und Wurzelbereich aufweisen. Aufgrund dieser Ergebnisse und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren, wie erforderliche Kronen- und Wurzelrückschnitte, werden neun der insgesamt vierzehn Bäume entnommen. Die fünf Säulenpappeln im Westen bleiben erhalten. Alle Fällungen sind mit der Oberen Naturschutzbehörde abgestimmt. Der Ausgleich erfolgt im Zuge der Gesamtmaßnahme.
Bautechnischer Ablauf
Aufgrund der stetig bestehenden Gefahr eines eintretenden Hochwassers, erfolgen die Bauarbeiten nur in Abschnitten. Die insgesamt etwa 550 Meter lange Deichertüchtigung innerhalb der Ortslage Rumpenheim wird deshalb in fünf Abschnitten vorgenommen. Ein weiterer Bauabschnitt liegt in Feldlage am Ortsrand zu Mühlheim.
Die Bauarbeiten erfolgen von West nach Ost. Begonnen wird im Bereich der Einmündung der Straße „Kleines Gäßchen“. Zunächst werden die Spundwände hydraulisch in den Boden eingedrückt. Dann wird die Spundwand mit Sandsteinen verkleidet. Abschließend wird auf die Spundwand eine Sandsteinabdeckplatte aufgelegt, auf die im Hochwasserfall das mobile Hochwasserschutzsystem aufgesetzt werden kann.
Die Deichtorpfeiler werden einschließlich der Fundamente zurückgebaut und aus Stahlbeton erneuert. Die Pfeiler werden ebenfalls mit Sandsteinen verkleidet.
Im Bereich der ehemaligen Gaststätte „Schiffchen“ bleibt die Natursteinmauer aus Denkmalschutzgründen erhalten. Damit diese Wand ausreichend standsicher ist und trotzdem den historischen Charakter beibehält, wurde in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde vereinbart, die oberen Steine abzutragen und einen neuen Stahlbetonbalken aufzusetzen. Mit dem dann vorhandenen Bruchsteinmaterial wird der neue Stahlbetonbalken verkleidet. So bleibt der historische Charakter der Mauer erhalten. Zusätzlich wird die Mauer mit vertikalen und horizontalen Ankerstäben stabilisiert.
Der Bereich des Pumpwerks und der Tiefgarage ist bereits gut gegen Hochwasser gesichert. Nur bei außergewöhnlich starkem Hochwasser muss zusätzlich eine Sicherung mit mobilen Dammbalken erfolgen. Dafür werden auf die Decke des Pumpwerks und der Tiefgarage neue Betonfundamente aufgesetzt. Im Parterre-Garten werden die Betonfundamente so gelegt, dass sie unter dem Kies der Wegedecke verdeckt liegen und nur im Hochwasserfall freigelegt werden müssen.
Der historische Eisabweiser am östlichen Ende des Schlossgartens kann aus konstruktiven Gründen nicht erhalten bleiben. In Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde wurde vereinbart, ein neues, rundes Pfeilerbauwerk einige Meter östlich des alten Standortes neu zu errichten. Auch dieses wird mit Sandsteinen verkleidet.
Im Bereich der Feldlage zur Gemarkung Mühlheim wird der vorhandene Feldweg um bis zu 30 Zentimeter angehoben und gleichzeitig mit Betonpflaster als Deichverteidigungsweg ausgebaut.
Beeinträchtigungen und Schutz während der Bauzeit
Während der Baumaßnahme ist das Mainvorgelände in Rumpenheim nur bedingt zugänglich und der Verkehr wird abschnittsweise umgeleitet. Die wichtige Fährverbindung von und nach Maintal wird während der gesamten Bauzeit aufrechterhalten, es kann jedoch zeitweise zu Behinderungen kommen. Der stark frequentierte Mainradweg wurde in Richtung Main verschoben und führt so um die Baustelle herum. Während der Bauarbeiten im Bereich unterhalb des Schlossparks ist der Radweg in diesem Bereich gesperrt. Eine ausgeschilderte Umleitung für Radfahrende führt dann über die Schloßgartenstraße um den Schlosspark herum. Die zum Main führenden Straßen Schmiedegasse, Fischergasse, Untergasse, Neugasse und Kleines Gäßchen werden je nach Baufortschritt zeitweise zu Sackgassen. Die Zugänglichkeit zu den einzelnen Grundstücken für die Anliegerinnen und Anlieger sowie die Rettungskräfte ist jederzeit gegeben.
Der Parkplatz im Mainvorgelände ist während der Bauzeit gesperrt, da er als Baustelleneinrichtungsfläche dient. Im Zuge der Bauarbeiten in der Feldlage an der Grenze zu Mühlheim ist der dortige Wirtschaftsweg ebenfalls nicht zugänglich.
Die Stadt Offenbach ist bemüht, die von den Bauarbeiten ausgehenden Störungen so gering wie möglich zu halten. Sämtliche Arbeiten wurden durch die zuständigen Behörden genehmigt. Dennoch lassen sich Beeinträchtigungen wie LKW-Verkehr, Lärmbelästigungen und Verschmutzungen nicht ausschließen. Die Stadt Offenbach und die Baufirma bitten alle Anwohnerinnen, Anwohner und Betroffene um Verständnis für die Unannehmlichkeiten.
Der Schutz des Eigentums sowie die Sicherheit der Anwohnerinnen und Anwohner, die in der unmittelbaren Umgebung der Baustelle wohnen und auch betroffen sind, genießen höchste Priorität. So wird bereits seit einem Jahr ein Grundwasser-Monitoring durchgeführt und die Grundwasserstände werden genau beobachtet. Dadurch sollen Bauwerksschäden durch geänderte Grundwasserströmungen ausgeschlossen werden. Außerdem wurden alle Anwesen durch einen Gutachter „beweisgesichert“. So haben neben der Stadt auch die Anliegerinnen und Anlieger eine Rechtssicherheit zum Zustand ihrer Gebäude während der Baumaßnahme.
Auch der Hochwasserschutz wird in Zusammenarbeit mit der Wasserwehr der ESO Offenbacher Dienstleistungsgesellschaft mbH gewährleistet. Die Baufirma hält zudem ausreichend Schütt- und Rüstmaterial vor, um dieses im Fall eines drohenden Hochwassers frühzeitig einbauen zu können.
Das Gesamtprojekt wird durch das Land Hessen gefördert. Die Stadt Offenbach erhält rund 85 Prozent Zuschüsse auf die förderfähigen Ausgaben des Hochwasserschutzes. Im Dezember 2021 übergab Umweltministerin Priska Hinz der Stadt Offenbach einen Förderbescheid in Höhe von 6.225.000 Euro. Die Förderung wurde im Juni vergangenen Jahres auf 12.928.510 Euro erhöht. Die Abwicklung der Förderung erfolgt über die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen.