Seit 2015 ist die „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in Offenbach im Kooperationsverbund zwischen Frauenbüro, SANA Klinikum, Ketteler Krankenhaus und pro familia erfolgreich etabliert und sichert die medizinische Versorgung. Auf Wunsch erfolgte eine vertrauliche Spurensicherung, ohne dass zuvor eine Anzeige erfolgen muss.
Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall
„Nach einer Vergewaltigung brauchen betroffene Frauen schnelle und sichere Hilfe. Die Frage, ob eine Anzeige gestellt wird oder nicht, stellt sich oftmals erst nach der Sorge um die eigene Gesundheit. Doch die Spuren müssen schnell gesichert werden, um polizeilich verwertet werden zu können“, erläutert Dr. Inga Halwachs, Kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte.
„Durch die Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung gewinnen betroffene Frauen Zeit, um eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung über eine polizeiliche Anzeige zu treffen, ohne dabei ihre Gesundheit oder die Sicherung von für das Ermittlungsverfahren relevanten Spuren zu gefährden. Deshalb bedanke ich mich bei allen beteiligten Personen für Ihre wichtige Arbeit in diesem Projekt“, erklärt der Oberbürgermeister, Dr. Felix Schwenke, dem das Projekt seit seinem ersten Tag im Amt sehr wichtig ist.
Die Akutversorgung bieten beide Offenbacher Kliniken an, das Sana Klinikum Offenbach und das Ketteler Krankenhaus. Auf Wunsch der Betroffenen werden die Spuren nach einem standardisierten Befundbogen des Frauennotrufs Frankfurt gesichert. In den Kliniken liegen die notwendigen Untersuchungskits und die Dokumentationsbögen zur gerichtsverwertbaren Befunderhebung mit Spurensicherung vor. Dieser Befundbogen ist grundsätzlich für alle von einer Vergewaltigung betroffenen Personen anwendbar, unabhängig vom Geschlecht. Im Anschluss an die Untersuchung werden die Materialien dann ein Jahr lang in der Frankfurter Rechtsmedizin gesichert und im Falle einer nachträglichen Anzeigenerstattung von der Polizei ausgewertet. Entschließt sich die Frau nicht zu einer Anzeige, werden die Materialien nach einem Jahr vernichtet.
Seit der Einführung der Soforthilfe Anfang 2015 bis Ende 2021 haben sich 71 Frauen und Mädchen in dem Hilfsprogramm untersuchen und behandeln lassen. Bis Ende September 2022 konnten weitere 13 Frauen und Mädchen medizinisch versorgt werden, wobei der Großteil sich für die vertrauliche Spurensicherung entscheidet.
Die Zahl der akut medizinisch versorgten Frauen steigt kontinuierlich und ist gerade in den letzten 1,5 Jahren nochmal deutlich angestiegen.
„Neben der medizinischen Akutversorgung erhalten betroffene Frauen und Mädchen beim Frauennotruf der pro familia Offenbach eine vertrauliche psychosoziale Beratung und Begleitung, um das Ereignis zu bewältigen und eine für sie passende Entscheidung für oder gegen eine Anzeige zu treffen“, erläutert die Beraterin Pia Barth. Dass nun immer mehr Frauen nach einer Vergewaltigung durch die Medizinische Soforthilfe versorgt werden können, ist auch das Resultat kontinuierlicher Öffentlichkeitsarbeit. Neben Flyern und Plakaten ermöglichen das Sana Klinikum und das Ketteler Krankenhaus durch ihre Spenden von jeweils 1.000 Euro ein weiteres Jahr die Plakatierung in einigen Bussen des ÖPNV in Offenbach. Auf den dort angebrachten Plakaten ist zu lesen: ´Wenn ein verstauchter Knöchel ein Notfall ist – was ist dann eine Vergewaltigung?´
Heike Pinne, Leiterin der pro familia Beratungsstelle, dankt den Kliniken für ihre Unterstützung: „Nur wenn das Angebot bekannt ist, kann es im Notfall auch genutzt werden. Ohne die Spenden der Kliniken könnten wir die Plakate in den Bussen nicht finanzieren.“
„Sexuelle Gewalt gegen Kinder, Frauen und Männer sollte in unserer Gesellschaft einfach keinen Platz haben“, das betont Herr Prof. Dr. Christian Jackisch, der langjährige Chefarzt der Frauenklinik am Sana Klinikum in Offenbach erneut und Oberärztin Frau Dr. Silvia Khodaverdi, die am Sana Klinikum in Offenbach seit Jahren diese Maßnahmen koordiniert und schult ergänzt: „Es ist ein beruhigendes Gefühl, dort helfen zu können, wo rechtssichere, zugewandte Hilfe so wichtig ist“.
Chefarzt Dr. Lars Schröder von der Frauenklinik am Ketteler Krankenhause betont, dass Mädchen und Frauen nach einem derart einschneidenden Erlebnis professionell aufgefangen und begleitet werden müssen. „Einer Hilfestellung in dieser belastenden Situation können betroffene Mädchen und Frauen sich an unserem Hause sicher sein.“
Desweiteren ist seit einem Jahr eine neue Info-Webseite der pro familia online. Unter www.hilfe-nach-sexueller-gewalt-offenbach.de finden Betroffene schnell Hilfe und alle wichtigen Adressen und Telefonnummern, das Verfahren der Medizinischen Soforthilfe wird erläutert. Die Webseite ist seit kurzem auch in den Sprachen Englisch, Türkisch, Rumänisch und Arabisch verfügbar. Eine Version in leichter Sprache sowie Printmaterialien in Brailleschrift für blinde Menschen sind in Arbeit.